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Bruder Klaus Kapelle in Mechernich-Eifel von Peter Zumthor copyright Aldo Amoretti

5. Ranfter Gespräche mit Peter Zumthor, Niklaus Brantschen, Olivia Röllin, Pirmin Meier, Pater Zacharias Heyse, Peter Conradin Zumthor

 

Orte und Räume der Stille und des Rückzugs, der Turm in der Literatur bei Rilke oder Hölderlin, die Ranfter Schlucht als spiritueller Kraftort bei Niklaus von Flüe oder die Burg als mystische Identität bei Teresa von Avila: Welche Funktion haben geistige Räume für den Menschen? In der religiösen Praxis, im alltäglichen Leben? Wie verändern sich die Anforderungen an sakrale Bauten? Wie sehen ein moderner Architekt, ein Zen-Meister, ein Mönch und ein Historiker «geistige Räume»?

 

 

 

 

Die 5. Ranfter Gespräche wurden eröffnet mit einem Vortrag des Bruder-Klaus Biographen Pirmin Meier am Freitagabend. Er sprach über die räumliche Dimension des Lebens und Wirkens von Bruder Klaus und überraschte mit einigen bisher wenig bekannten biographischen Fakten. Nach dem vorzeitigen Abbruch seiner geplanten Pilgerreise war die Wahl des Ranft als Aufenthaltsort für Klaus zuerst eine Notlösung. Erst später ergab sich daraus eine permanente Situation. Die erforderliche behördliche Bewilligung erfolgte erst nach zwei Jahren. Die Tatsache, dass Klaus im Ranft in Rufweite seiner Familie lebte, war für einen damaligen Eremiten einmalig. Das entscheidende ‚Alleinstellungsmerkmal’ des Bruder Klaus als weitum bekannter Heiliger war aber sein Verzicht auf Nahrungsaufnahme.

 

 

Die Begegnung, die authentisch ist, war das versteckte Leitmotiv im Gespräch von Olivia Röllin (SRF-Moderatorin) und Niklaus Brantschen.  Gute Beziehungen sind zweckfrei, sagt er. Wenn Menschen sich begegnen, die einander nichts sparen und sich nicht in die Pfanne hauen wollen, könne etwas Gutes entstehen. Brantschen fühlt sich sowohl geworfen wie getragen, antwortet er auf die Frage Röllins. Er verstehe sich nicht als Lehrer, sondern als Mensch der Begegnung, bei dem man sich wohl fühlt. Wenn ich nichts will, aber das mit dem ganzen Herzen, wirkt es, meint er. Seine Funktion sei, keine Funktion zu haben. Die Agenda – das zu Tuende – hätte er umgetauscht gegen die Amanda – das zu Liebende. Zum Glänzen reicht eine Oberfläche, aber zum Strahlen braucht es auch Innenraum. Der Leib ist der Raum unserer inneren Wahrnehmungen, während das Wort ‚Körper’ die äussere Wahrnehmung ausdrückt. Den Tod sieht Brantschen – nicht immer, aber manchmal – als Chance zur Durchbruchserfahrung, alles zu erkennen, wie es ist, nicht, wie ich es möchte. Das, was wir suchen, ist schon da, sagt Brantschen., und zitiert Michaelangelo: David war schon da, ich musste nur wegnehmen, was nicht David war. Gott ist immer und überall zu finden, man müsse nur kratzen.

 

 

Bei Peter Zumthor nimmt die Verbindung von Raum und Spiritualität eine zentrale Rolle ein. Seine Architektur vermittelt eine Botschaft ohne Worte. Was berührt uns? Tiefe, Schönheit, Ganzheit, Gelassenheit, Verbundenheit und Präsenz sind die Werte, auf die Zumthors Architektur baut. Tiefe kommt aus dem Gebrauch, in dem eine Würde liegt, etwas, was sich direkt vermittelt. Auch die Materialien und das Handwerk sind ausschlaggebend. Wenn man sieht, dass etwas von Menschen gemacht wurde, berührt es uns. Zumthor nennt dies ‚materielle Präsenz’. Ganzheit heisst, ein Ding ist in sich geschlossen, eine menschgemachte Schöpfung. Gelassenheit bedeutet Menschlichkeit, dass man spürt, dass ein Gebäude für Menschen gemacht ist und sie es gern haben können. Verbundenheit heisst, mit dem Ort verbunden zu sein, an dem die Gebäude stehen, mit der Biographie und der Geschichte eines Ortes. Zumthor liebt Landschaften, Häuser und Orte. Man muss den Autor spüren, seine Geschichte, und wie sich diese mit der Geschichte des Ortes verbindet. Präsenz fasst vieles zusammen und drückt sich im Gefühl aus: Ich bin da. Insgesamt ist jedes gute Gebäude ein Prozess, eine geduldige Suche. Erst wenn Peter Zumthor 100% sicher ist, gibt er einen Arbeitsschritt oder ein Gebäude frei. So können Häuser mit Seele entstehen.

 

Benediktinerpater Zacharias Heyes sprach im Anschluss an das Gespräch über Räume der Stille. Die Gottsuche sei die primäre Aufgabe eines Benediktinermönches. Alles, was getan wird, solle zur grösseren Ehre Gottes getan werden. Deshalb ist die Struktur des Tages wichtig: Mit dem Stundengebet wird der Mensch sich dieser Verbindung gewahr, lebt im Raum des inneren Gebets, der das Fundament zur Bewältigung der alltäglichen Aufgaben bildet.

 

Das Konzert von Peter Zumthor war einmalig, fulminant! Mit leisen Tönen beginnend, das Instrument in seinen Facetten auslotend, die zwei grossen Gongs gegeneinander und zueinander spielend, verdichteten sich vitale, aufbrausende, fesselnde Rhythmen zu einer genialen Percussionssymphonie. Gewaltig schön, durchdringend, grossartig war dieses Spiel, das mehr als Spiel war! Dieses Erlebnis des Raumklanges, das uns Peter Conradin Zumthor schenkte, ist unvergesslich.

 

Simon Greuter und Ursula Bründler

 

 

 

 

Über die Referenten

 

 

 

 

 

Peter Zumthor

international gefragter Architekt, ehemaliger Universitätsprofessor der Università della Svizzera italiana, Träger bedeutender Architekturpreise, mit fünf Selbstbeobachtungen und Thesen

Geboren 1943, international gefragter Architekt, ehemaliger Professor an der Università della Svizzera italiana, Träger bedeutender Auszeichnungen, darunter die Architekturpreise Praemium Imperiale (2008) und Pritzker-Preis (2009). Zumthor legt besonderen Wert auf die Auswahl der verwendeten Materialien und Formen, sodass kein von ihm entworfenes Bauwerk dem anderen gleicht. Im Kunsthaus Bregenz eine Sammlung von über 300 Architekturmodellen Zumthors – seit der dortigen Einzelausstellung 2007. Zahlreiche Publikationen von und über Peter Zumthor. Filmreihe «Spirituelle Räume» (Arte), in der Zumthors Bruder-Klaus-Feldkapelle in Mechernich-Wachendorf (D) vorgestellt wird. Dokumentarfilm (Arte, 2000) «Peter Zumthor – Der Eigensinn des Schönen». https://zumthor.org

 

 

 

 

 

 

Niklaus Brantschen (SJ)

Jesuit und Zen-Meister, Begründer und langjähriger Leiter des Lassalle-Hauses Bad Schönbrunn

phil. & lic. theol., geboren 1937, Jesuit und autorisierter Zen-Meister, Begründer und langjähriger Leiter des Lassalle-Hauses Bad Schönbrunn, Vortrags- und Seminartätigkeit, besonders für Führungskräfte. Seit Jahren zahlreiche Berichte über und Interviews mit Niklaus Brantschen in den Medien. 2018 titelte die NZZ: «Auf den Knien zum Gipfel der Erleuchtung». Autor von «Gottlos beten. Eine spirituelle Wegsuche», «Via Integralis. Wo Zen und christliche Mystik sich begegnen» (mit Pia Gyger) u. a. https://www.jesuiten.org/personen/niklaus-brantschen-sj

 

 

 

 

 

 

Dr. Pirmin Meier

Autor, studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität Zürich

geboren 1947, promovierter Germanist, arbeitete als Gymnasiallehrer und Schriftsteller, war u. a. an der Hochschule für Soziale Arbeit in Luzern tätig. Für sein Werk wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Autor von «Paracelsus. Arzt und Prophet» (von der FAZ zum besten Beitrag zum Jubiläumsjahr «500 Jahre Paracelsus» gekürt), «Ich Bruder Klaus von Flüe», «Kulturkampf. Die Schweiz des 19. Jahrhunderts im Spiegel von heute» (mit Josef Lang) u. a. https://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

 

 

 

 

 

 

Pater Zacharias Heyes

Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, studierte katholische Theologie in Münster und Würzburg, arbeitet als Seelsorger, Kursleiter, Künstler und Autor international erfolgreicher Bücher

 

 

 

 

 

 

Peter Conradin Zumthor

Der autodidaktisch gebildete Schlagzeuger ist mit grosser Eigenständigkeit auf nationalen und internationalen Bühnen präsent. Sein Betätigungsfeld reicht von Komponieren, Solo-Konzerten, Theatermusik, Uraufführungen neuer Musik, Hörspielen, Kinderprogrammen, Klanginstallationen, Videoarbeiten, Konzeptarbeiten im Schnittfeld Musik/Bildende Kunst über Vertonungen von Film und Literatur bis hin zur freien Improvisation.

 

 

Moderation

 

 

 

 

Olivia Röllin

Moderatorin und Redaktorin der «Sternstunde Religion», Schweizer Fernsehen (SRF), studierte in Zürich, München und Wien Religionswissenschaften und Philosophie

Olivia studierte in Zürich, München und Wien Religionswissenschaften und Philosophie. Abschlussarbeiten (BA und MA) zu Friedrich Nietzsche. Seit 2019 Moderatorin und Redaktorin der «Sternstunde Religion», Schweizer Fernsehen (SRF).Moderationen u. a. für filmcoopi (Irvin D. Yalom), Literaturfestival Zürich (Christoph Ransmayr), Lucerne Festival (KKL), Herbert-Haag-Stiftung. Mitautorin von «Die Alpen und das Valley. Natur und Technik im digitalen Zeitalter». https://www.oliviaroellin.com

 

 

 

 

 

Ursula Bründler

Präsidentin und Bildungshausleiterin zentrumRANFT, Kantonsschullehrerin, Studium der Germanistik, u.a. bei Prof. Dr. Alois Haas, Theologiestudium, Universität Luzern, und Masterabschluss in «Spirituelle Theologie im interreligiösen Prozess» Universität Salzburg

 

 

 

Sponsoren

Katholische Kirche Luzern Logo der Obwaldner Kantonalbank

Bildungsförderung Obwalden, Swisslos