Über uns

Spiritualität

 

Weshalb nennt sich das zentrumRANFT «Haus der Mystik»?

«Das hat nicht zuletzt mit meinem Werdegang zu tun. Dieser führte zu meiner jetzigen Funktion als Direktorin des zentrumRANFT. Mein Bildungs- und Lebensweg brachte mir die mystischen Traditionen in West und Ost nahe. Zum einen war es mein Studium der deutschen und spanischen Literatur an der Universität Zürich, wo Alois M. Haas, der international renommierte Spezialist für abendländische Spiritualitätsgeschichte und Mystik, mein Lieblingsprofessor war. Zum anderen konnte ich mein Wissen in Sachen Mystik im Rahmen meines zweiten Studiums – der Spirituellen Theologie – an den Universitäten Luzern und Salzburg weiter vertiefen. In diesen Kontexten begegnete ich unter anderen den Mystikern Teresa von Ávila (1515-1582), Johannes vom Kreuz (1542-1591) und nicht zuletzt Niklaus von Flüe (1417-1487), der im zentrumRANFT und in meinem persönlichen Leben eine zentrale Rolle einnimmt. Vor diesem Hintergrund und angesichts unseres Angebots wird klar, weshalb sich das zentrumRANFT als Haus der Mystik versteht – ausgehend von Niklaus von Flüe und anderen abendländischen Mystikern, die mystischen Traditionen anderer Kulturen und Religionen jedoch einbindend.», sagt Ursula Bründler.

 

 

Der Mystiker Bruder Klaus

Lesen Sie hier Auszüge aus der Masterarbeit über Mystik von Ursula Bründler.

 

 

Der Baum

Wenn ich auf der Anhöhe in unserem Garten stehe, weitet sich der Blick in die Landschaft der mäjestätisch wirkenden Pilatuskette, eingebettet liegt davor der Sarnersee. Neben mir mein Baum, eine alte Tanne, die mir Schutz und ein Gefühl der Zugehörigkeit gibt. Sie ist stark, ihre Pfahlwurzeln sind tief verankert, halt gebend und zärtlich-rau die Rinde. Mein Lebensbaum, an den ich anlehnen kann, die Äste reichen hinunter, die Nadeln streifen sanft das Gesicht. Ein spiritueller Platz? Ja, denn hier finde ich eine besondere Ruhe, die geborgen wirkt, spüre oft das leise Wehen des Windes wie ein leichtes Berühren. Dieser Baum lebt wie ein Eremit, fest verankert, klar, bestimmt. Suche ich Ausgleich und Kraft, wende ich mich hin und setze mich auf eine der Wurzeln. Hier finde ich Trost, spüre ein Du, das anklopft. Es ist wie ein geschwisterliches Miteinandersein. Ausgangspunkt, wenn ich in den Ranft aufbreche. Dort, entlang der Melchaa, beim Aufstieg wildes Gewächs, das dem stürmisch fliessenden Gewässer zuhört, den lebendigen Strom aufnimmt, das ungezähmt Wilde erahnen lässt. Die Ranftschlucht, sie singt inmitten des Waldes, der die Geheimnisse birgt. Geheimnisse vieler Generationen, die vor uns gelebt, die sich gewundert haben wie wir uns heute wundern, weil wir spüren, dass etwas da ist, das wir nicht fassen können. Wir erkennen: Die Wirkung der Bäume auf unser seelisches Erleben ist heilend, Bäume bilden mit ihren dichten Ästen ein Netzwerk wie unsere Lungen, sind Spiegelbild. Sie schenken Sauerstoff und Leben – ohne Warum. Das Gegenbild existiert auch. Der Wald mit seinen gebrochenen Bäumen, die durcheinander aneinander lehnen, den Weg versperren, etwas hilflos sich an anderen Bäume festhalten, was zeigt, wie Bäume einander zugeneigt sind. Man sagt, Bäume kommunizierten miteinander. Wenn Bäume unter Stress stehen, hört man leichtes Knarren. Unter der Erde greifen die Wurzeln ineinander über. Der Lebensbaum und der Baum der Erkenntnis: Diese beiden Pole prägen unser Leben unbewusst. Sein und erkennen – Bäume waren schon immer da und werden uns vielleicht überleben. Sie sprechen nicht, ihre Formen sind jedoch beredt. Ich steige vom Fluss, der Melchaa, durch den Wald und empor, gelange weiter unten wieder zu meiner Tanne, die ruhig und vielleicht sogar etwas gelassen besonnen das Geschehen im Tal überwacht.

 

Ursula Bründler Stadler